Zeitzeugengespräch mit Ruth Barnett, London


Ruth Barnett früher und heute

Im Rahmen der Open-Air Ausstellung Am Ende des Tunnels und der Fotografie - Ausstellung Wandelhalle, die beide die Kindertransporte vor 80 Jahren aus Berlin thematisieren, laden wir herzlich zum Zeitzeugengespräch mit Ruth Barnett aus London ein. Es wird moderiert von Dr. Andrea Hammel von der Aberystwyth Universität. Das Gespräch wird in englischer Sprache mit Übersetzung durchgeführt. Der Eintritt ist frei.

Zwischen Ende November 1938 und dem 1. September 1939 wurden über 10.000 Kinder, die als „jüdisch“ im Sinne der Nürnberger Gesetze galten, aus dem Deutschen Reich und aus von diesem besetzten Ländern nach Großbritannien verschickt und so gerettet. Zu Ihnen gehörte auch Ruth Barnett.

Ruth Barnett wurde 1935 als Ruth Michaelis geboren und wohnte in den ersten vier Jahren ihres Lebens in der Cicerostraβe, unweit des Kurfürstendamms. Im Februar 1939 schickten ihre Eltern sie und ihren siebenjährigen Bruder Martin nach Groβbritannien.
Ihr jüdischer Vater, der in Berlin Richter gewesen war, entkam nach Schanghai, ihre nichtjüdische Mutter verlieβ Berlin und überlebte den Zweiten Weltkrieg in Süddeutschland.

Nach Kriegsbeginn verloren die Familienmitglieder den Kontakt zueinander. Die Kinder lebten in Großbritannien in drei verschiedenen Pflegefamilien und einem Jugendheim. Ruth fühlte sich in ihrer letzten Pflegefamilie wohl, diese wollte sie sogar adoptieren.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges suchten die leiblichen Eltern nach ihren Kindern. Ruth hatte ihre emotionale Bindung zu ihnen und auch ihre Kenntnisse der deutschen Sprache verloren. Gegen ihren Willen holten die Eltern die Vierzehnjährige nach Deutschland zurück. Letztendlich hatten die Eltern das Einsehen, dass Ruth – ebenso wie ihr Bruder – in England bleiben wollte, und gaben ihr Einverständnis.

Die Familiengeschichte von Ruth Barnett wurde die Basis für den Roman Landgericht, für den Ursula Krechel 2012 den Deutschen Buchpreis erhielt, und für den 2017 gesendeten gleichnamigen ZDF-Zweiteiler. Ruth Barnett verarbeitete ihre Erfahrungen in ihren Memoiren Person of No Nationality und einem Theaterstück mit dem Titel What Price for Justice.

Zugehörige Ausstellungen:

Open-Air-Ausstellung
Am Ende des Tunnels – Die Kindertransporte vor 80 Jahren aus Berlin
Ort: Vorplatz des Bahnhofs Charlottenburg
Stuttgarter Platz / Ecke Lewishamstraße, 10627 Berlin
Laufzeit: 16.8. – 27.10.2019

Karen Stuke
Wandelhalle – Auf den Spuren von Sebalds Austerlitz
Camera Obscura Fotografie
Ort: Kommunale Galerie Berlin, Hohenzollerndamm 176, 10713 Berlin
Laufzeit: 1.9. – 27.10.2019

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Talk by Kindertransportee Ruth Barnett

As part of the open-air exhibition At the End of the Tunnel and the photographic exhibition Wandelhalle, which both examine the transport of children from Berlin 80 years ago, we cordially invite you to an eyewitness talk with Ruth Barnett from London. The talk will be moderated by Dr. Andrea Hammel from Aberystwyth University and Prof. William Niven from Nottingham Trent University. The interview will be conducted in English with translation. Admission is free.
Between the end of November 1938 and 1 September 1939, more than 10,000 children who were considered "Jewish" in the sense of the Nuremberg Laws were sent from the German Reich and from countries occupied by it to Great Britain and thus saved. One of them was Ruth Barnett.

Ruth Barnett (born Ruth Michaelis in 1935) spent the first four years of her life living in a flat in Cicerostraβe off Kurfürstendamm. In February 1939 she was sent to the UK together with her seven-year old brother Martin. Their Jewish father, who had been a judge in Berlin, escaped to Shanghai, their non-Jewish mother left Berlin and survived the war in Southern Germany. After the beginning of the Second World War the members of the family lost contact with each other. The children lived with three different foster families and in a hostel. Ruth felt settled in her last foster family; the family was even planning to adopt her. After the end of the Second World War the birth parents started searching for their children. Ruth had lost her emotional bond to them and did not speak German any more. Nevertheless, the parents forced her to return to Germany against her will. After a while the parents realised that she wanted to stay in England as did her brother and they gave permission both children to do so. Her family’s experience formed the basis for the novel Landgericht by Ursula Krechel and the TV drama with the same named broadcast in 2017. Ruth Barnett has written her memoirs Person of No Nationality and a play with the title ‘What Price for Justice?’.