Donata Wenders im Interview


Der Kurator der Ausstellung 'Handmade Photography' Norbert Wiesneth hat Donata Wenders zu ihrer Serie 'Journey to Onomichi' interviewt. Lesenswert!

 

 

NW: Sind alle Bilder in der Ausstellung in Onomichi und zur selben Zeit entstanden? Wie kam es zu diesem Projekt?

DW: Ja, die Bilder sind alle in einer knappen Woche in Onomichi entstanden. Wim und ich sind zusammen eingeladen worden, an einem Ort unserer Wahl in Japan zusammen zu fotografieren. Weil Wim schon oft in Japan war, durfte er sich einen Ort aussuchen, an dem er noch nie war, denn ich war an sehr vielen Orten in Japan noch nicht gewesen und fand alles aufregend, solange es nicht in Tokyo war, weil ich schon wusste, ich wollte auch etwas die Tradition des Landes sehen.

Wim hat sich sofort für das Hafenstädtchen ONOMICHI entschieden, weil einer seiner Lieblingsfilme von Yasusiro Ozu 'TOKYO STORY' hauptsächlich dort gedreht wurde und dort stattfand.

Wir haben uns morgens nach dem Frühstück (wenn nicht einer vor Sonnenaufgang losgetigert ist) getrennt und jeder ist seiner Wege gegangen.

Wim ist dann den Orten mit seiner Farb-negativ Kamera Plaubel nachgegangen und ist durch die Stadt gezogen und hat den Ort fotografiert und ihm sensationell zugehört, was er zu erzählen hatte und ich bin mit meinem Schwarzweiß-Tri-X Film, manchmal mit der Nikon, manchmal mit der Leica, den Menschen und ihrem Alltag nachgegangen. Abends haben wir uns dann getroffen und haben einander erzählt, was für Abenteuer wir erlebt haben. Wim war meistens ganz allein unterwegs, während ich eine Dolmetscherin dabei hatte. Natürlich wusste keiner, was der andere wirklich gesehen hat. Als wir nach der Woche in Tokyo ankamen, haben wir erst nur die Negative entwickeln lassen. Die Kontakte wären noch mal zu viel Papier im Gepäck gewesen und so haben wir gewartet, bis wir in Deutschland waren, bis wir uns gegenseitig zeigen konnten, was wir gesehen haben. Wir waren begeistert und von den Socken von der Sicht des anderen! Eine herrliche Form zu reisen! Das haben wir hinterher gar nicht mehr geschafft zu machen und wollen das gerne noch ein paar Mal machen.

Wir haben dann beide 25 Bilder in Tokyo ausgestellt. Wims Formate waren nicht nur farbig, sondern auch 450 cm breit! Das heißt die Formate unterschieden sich gewaltig. Die Ausstellung wurde sehr gut aufgenommen, weil wir sehr verschiedene Aspekte gesehen haben.

 

NW: Hast du die Momente intuitiv gefunden oder hattest du einen Plan oder Konzept?

DW: Erst einmal bin ich die ersten Tage mit einer Übersetzerin durch die Straßen gegangen, die für mich dann fragte, ob ich die Person fotografieren durfte… oder einfach da sein durfte… zur Teezeremonie bin ich natürlich an dem Tag gegangen, als es eine gab und wir haben gefragt, ob wir teilnehmen können… und dann durfte ich auch ab und zu die Kamera heben… sie baten mich sehr dezent zu sein… das war dann natürlich mit der Leica. Aber z.B. die schnell gehenden Füße. Ich habe sie fotografiert, weil mir aufgefallen ist, dass die Damen alle sehr bewusst gehen… erst hinterher habe ich gelernt, dass sie die Tatami-Schwelle mit dem Fuß nicht betreten dürfen! (Nicht in der Ausstellung vertreten)


NW: In der japanischen Ästhetik gibt es den Begriff des Wabi Sabi. Demnach braucht eine Keramikvase einen Riss, um vollendet zu sein, oder eine Imperfektion, die die perfekte Schönheit ausmacht. Hat dich diese Philosophie dazu geführt, die Emulsionslifts auf Barytpapier zu machen, oder ist das unabhängig davon entstanden?

DW: Die japanische Ästhetik ist in all ihrer Philosophie eine, von der wir sehr viel lernen können. Ich habe als erstes eben von dieser Imperfektion gehört, als ich das erste Mal in Japan war. Schon die großen Maler haben davon gesprochen… es ist ja nichts Neues, aber das so im bewussten Denken der Menschen verankert zu sehen, war eine Offenbarung für mich und hat mir geholfen, meinen bildnerischen Weg zu finden.

Die Wahl der Emulsion kam in diesem Fall durch die Suche nach einem Material, das die Zartheit, die Flüchtigkeit, ja, die fragile Existenz der traditionellen z.B. handwerklichen Tätigkeiten mit zum Ausdruck bringen könnte.

Als wir (Wolfgang Söder aus Hamburg-von Grauwert und ich) dann die kleinen Emulisionsblätter in seinem Fundus fanden, wusste ich: So - und nicht anders, eben genau wegen des fragilen Charakters.


NW: Wie funktioniert der Emulsionslift?

DW: Das Negativ wird auf die Gelatine direkt belichtet und beinahe genauso entwickelt wie normales Papier. Hinterher haben wir die Blätter auf Papier gelegt. Bei diesem Verfahren entstehen natürlich Risse und Schäden, die wir aber nicht forcieren wollten… wir sind so bedächtig mit den Gelatineseiten umgegangen, wie es Deutsche den Japanern nur nachmachen können.


NW: Bei den Fotos, die vor zehn Jahren entstanden sind, hältst du Szenen einer verschwindenden Alltagskultur fest. Denkst du, du könntest manche Motive heute nicht mehr wiederfinden?

DW: Ich müsste mal wieder hinfahren… ich bin sicher, ich würde vieles nicht wieder finden. Auf dem Acker sät vielleicht jetzt eine Maschine, die Säckchen werden vielleicht in China hergestellt, die Fächer auch… ich weiß es nicht, aber die Menschen, die ihr Handwerk gemacht haben, hatten scheinbar wenig Nachwuchs… Vieles muss wahrscheinlich irgendwann wieder ganz neu erfunden werden.

 

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